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Unsere Stellungnahme zur Gasverdichterstation:

Wozu eine Gasverdichter-Anlage? Warum hier?

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Vorbemerkung

Die Entscheidung zur Zustimmung zu einer Gasverdichterstation haben wir uns nicht leicht gemacht. Vorhaben, die Flächen verbrauchen, betrachten wir grundsätzlich sehr argwöhnisch. Das ist selbstverständlich noch mehr der Fall, wenn es sich um eine an sich schützenswerte Waldfläche handelt. Auf der anderen Seite ist wenig gewonnen, wenn man ein notwendiges technisches Bauwerk nur von der Rheinstettener Gemarkung verbannt. Wir haben seit über einem Jahr in vielen – leider überwiegend nicht-öffentlichen - Sitzungen und unter Einbeziehung von ExpertInnen, die sich mit Energieentwicklungen befassen sowie Fachleuten von Umwelt- und Ökoverbänden über die Thematik gesprochen. Wir haben eine solche Anlage in Scharenstetten besichtigt und dem Betreiber kritische Fragen gestellt. Unterm Strich überwiegen aus unserer Sicht die Aspekte für eine Zustimmung. Einige Sachinformationen haben wir in diesem Beitrag zusammengestellt.

 

Was ist eine Gasverdichterstation?

Quer durch Deutschland liegen Gasleitungen, die das Gas von den Einspeisungspunkten im Land verteilen. „Die Planung neuer Netzabschnitte richtet sich dabei nach der zu erwartenden Gasabnahme der nächsten Jahrzehnte. Das heutige deutsche Erdgasnetz umfasst ca. 505.000 km Leitungslänge, wovon etwa 123.000 km im Hochdruckbereich über 1 bar (Überdruck) liegt (BDEW 2016). Auf Transportnetzebene stehen in ca. 70 Verdichterstationen um die 233 Verdichter-Einheiten mit einer Nennleistung von ca. 2,4 GW bereit, um Druckverluste im Transportnetz zu kompensieren.“ (Bundesumweltamt 2019)

Gasverdichterstationen sind also an gewissen Punkten unumgänglich, um einen möglichst hohen Gasfluss in einer Leitung insbesondere zu Spitzenverbrauchszeiten zu ermöglichen. Je mehr das Gasnetz ausgebaut werden soll desto mehr solcher Anlagen braucht man. Sie sind sozusagen die Transportkosten für das Gasnetz.

In einer Gasverdichterstation wird also das Gas unter Energieaufwand verdichtet. Dazu benötigt man eine größere Fläche. Für das Verdichten muss Energie aufgewendet werden, das technische Verfahren ähnelt sehr einem Flugzeugtriebwerk. Im konkreten Fall sind gasbetriebene Kompressoren und alternativ eine elektrische Anlage vorgesehen, die unabhängig voneinander eingesetzt werden können. Ein solches Bauwerk ist von Schornsteinen geprägt und  wird voraussichtlich nur im Winter in Betrieb sein, wenn der Wärme- und Gasverdichtungsbedarf besonders hoch ist.

Da der Ausbau der Gasinfrastruktur der Versorgungssicherheit mit Energie dient, gilt es nach §35 Abs. 1 BauGB als „privilegiertes Vorhaben“ und genießt daher eine Vorzugsbehandlung gegenüber anderen Industrieanlagen. So wäre z.B. ein Zementwerk oder eine Sägerei am selben Standort nicht genehmigungsfähig.

 

Warum unterstützen wir Grüne weiterhin Erdgas, obwohl es ein fossiler Energieträger ist?

Die Energiewende ist eine Herausforderung, die mehr als eine Generation zur Bewältigung benötigen wird. Zwar wurden im Stromsektor bereits riesige Fortschritte erzielt und die 50%-Marke der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Wasserkraft und Biogas) wird demnächst überschritten. Auch wenn diese Umstellung nicht ohne Probleme verläuft, ist eine völlige Umstellung in den nächsten Jahrzehnten denkbar und technisch zu meistern.

In anderen Bereichen wie Wärme, Energieversorgung der Industrie und Verkehr ist man längst noch nicht so weit und ein vollkommener Ersatz fossiler Energieträger ist im Moment noch schwer vorstellbar. Dennoch führt aus unserer Sicht kein Weg daran vorbei, die CO2-Emmissionen radikal zu senken und später auf netto Null zurückzufahren, also nicht mehr CO2 abzugeben als an anderer Stelle z.B. durch Pflanzenwachstum wieder „verbraucht“ wird.

Erdgas ist zwar ein fossiler Energieträger und seine Verbrennung führt zu einer CO2-Belastung.  ie Nutzung von Erdgas als Energieträgern führt jedoch zu erheblichen Einsparung von ca. 25% gegenüber Erdölprodukten bis hin zu knapp 50% gegenüber Kohle (Quelle: https://www.volker-quaschning.de/datserv/CO2-spez/index.php), wenn man die Emission bei der Verbrennung direkt zum Energienutzwert setzt. Nicht berücksichtigt sind dabei Transportenergiekosten und der bessere Nutzungsgrad, der z.B. bei der Stromerzeugung (von der wir allerdings auch wegkommen wollen) zu Einspareffekten bis zu 70% gegenüber einem Braunkohlekraftwerk führt. Derzeit heizen in Deutschland noch 8.7 Millionen Haushalte mit Öl. Mit einer Umstellung eines größeren Teils selbst auf fossiles Erdgas wäre klimatechnisch schon viel gewonnen.

Der Umstieg von Kohle auf Erdgas ist also ein bedeutender Schritt in Richtung CO2-Reduktion, der uns voranbringt, aber langfristig nicht der zielführende Weg ist. Von daher hätte alleine dieser Aspekt uns noch nicht überzeugt, für einen Interimszeitraum von 15-25 Jahren einer Industrieanlage im Rande eines Waldgebiets zuzustimmen.

 

Warum brauchen wir auch künftig ein Gastransportnetz?

Auch wenn die Menschheit einmal die Phase der Nutzung fossiler Brennstoffe überwunden haben wird, wird man weiterhin nicht darum herumkommen, Energie zu transportieren. Das geht nach unserem Kenntnisstand aber nur auch über den physischen Transport eines Energieträgers, denn alleine mit Strom wird man den weiter anhaltenden Energiehunger von Industrie und Bevölkerung nicht befriedigen können und auch bei Strom sind lange Transportwege nicht nur wegen der Leitungsverluste ein Problem.

Gas ist dabei ein sehr gut skalierbares und transportables Medium. Hier müssen keine Tanklaster rollen oder Schiffe mit Kohle den Rhein hinauffahren. Natürlich kostet auch der Transport von Gas Energie, nämlich genau die, die in den Gasverdichterstationen verbraucht wird. Der große Vorteil von Gas gegenüber Strom ist, dass es sich hervorragend speichern lässt und die komplette Infrastruktur für das Speichern sogar schon vorhanden ist.

Für den Transport macht es keinen Unterschied, ob fossiles Erdgas (das zu bis zu 99% aus Methan besteht), Methan aus Biogasanlagen oder Methan mit  Wasserstoff der aus überschüssiger elektrischer Energie gewonnen wird transportiert wird. Für all diese Gase benötigt man ein entsprechendes Druckgefälle, was im Verlauf der Leitung immer wieder durch entsprechende Verdichterstationen neu aufgebaut werden muss (entspricht praktisch einer Pumpe). 
D.h. auch nach einer hoffentlich gelungenen Energiewende wird die Verdichterstation nicht überflüssig sondern eher noch wichtiger.

 

Ist „Grünes Gas“ nicht nur ein Schlagwort?

In der Tat ist die Produktion von Gas aus erneuerbaren Quellen noch nicht sehr weit fortgeschritten.  Technisch ist das zwar gut lösbar, aber noch sind die Energieverluste relativ hoch. Physikalisch spricht aber nichts dagegen, deutliche höhere Wirkungsgrade durch modernere Technik zu entwickeln. Vor 25 Jahren hätte die heute Technologie in der Photovoltaik auch niemand für möglich gehalten. Mit dem politisch gewollten Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bzw. der deutlichen Verteuerung von Kohle Gas und Öl wird kein Weg an Herstellung von Methan und Wasserstoff aus Grünem Strom vorbeiführen.  Das Potenzial ist also gigantisch und an vielen Stellen wird hier aktuell geforscht. Erste positive Ergebnisse liegen vor.

Konkret gibt es bereits jetzt einige Tage, an denen an den Strombörsen „Grüner Strom“ verschenkt werden muss oder sogar negative Preise erreicht. Eine Menge davon wird unter Verlusten exportiert. Gleichzeitig werden gewaltige Mengen an grünem Strom gar nicht erst erzeugt. Allein im ersten Quartal 2019 sind durch die Abregelung der Windparks in Deutschland mehr als 3,2 Milliarden Kilowattstunden sauberer Strom verloren gegangen. Hauptgrund hierfür bleiben die fehlenden Netzkapazitäten und die fehlende Sektorenkoppelung, also Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom zur Herstellung anderer Energieträger. Eine völlig absurde Idee, wenn man den Strom aus Kohle oder Atomenergie erzeugt, aber zukunftsweisend, wenn der Strom aus Sonne oder Wind stammt.
In Brunsbüttel, wo einst ein AKW stand, produziert Greenpeace Energy grünen Wasserstoff, der ins Gasnetz eingespeist wird. Ohne regenerativ erzeugtes Gas und ohne regenerativ erzeugten Wasserstoff wird die Energiewende und das europäische Klimaziel bis 2050 nicht zu schaffen sein.  Vermutlich werden wir schon bald sehen, dass wir noch schneller zu diesen Zielen kommen müssen.

Beim KIT wird in der Richtung ebenfalls intensiv geforscht. Auch die EU investiert gerade massiv in die Forschung (siehe www.helmeth.eu/). Der Wirkungsgrad für die Methanisierung hat sich inzwischen rasant deutlich verbessert. Links zu weitergehenden Informationen sind unten aufgeführt.

Auch die Energieinstitute am KIT unterstützen die Sektorenkoppelung und die Netzertüchtigung, um zukünftig größere Mengen Wasserstoff als bisher in das bestehende Netz einspeisen zu können.

 

Ist terranet ein vertrauenswürdiger Partner?

Terranet ist eine 100%ige Tochter der EnBW, einer der klassischen Stromerzeuger des deutschen Marktes und über viele Jahre erklärter Gegner Grüner Politik. Setzte man doch bis ins 21. Jahrhundert sehr stark auf Kernkraft und Kohleverstromung und kümmerte sich recht wenig um den Randbereich Erneuerbare Energien. In den letzten 5-8 Jahren sind allerdings erhebliche Veränderungen eingetreten.

EnBW ist mittlerweile ein Unternehmen, dessen Aktien zu weit über 95% in öffentlicher Hand ist. Das ist bei den anderen Energieversorgern nicht der Fall. Seit der Privatisierung im den 80er und 90er Jahren arbeiten RWE, Vattenfall etc. rein auf shareholder-value ausgerichtet, während EnBW inzwischen eine deutliche Kehrtwende der Unternehmenspolitik vollzieht. Gewaltige Investitionen in den Umstieg in erneuerbare Energien wurden getätigt und sind weiter geplant. Ein Grüner Konzern ist EnBW deshalb noch nicht, aber die alten Feindbild-Reflexe sind hier auch nicht mehr angebracht. Kooperation bedeutet immer auch Einfluss und bei unseren Gesprächen hatten wir stets den Eindruck, dass man uns aufmerksam zuhört und transparent antwortet. Was nicht bedeutet, dass man immer unseren Ansichten folgt.

 

Welcher Standort?

Glücklich sind wir mit dem geplanten Standort im Wald auf Rheinstettener Gemarkung sicher nicht. Fakt ist aber, dass es keinen allzu großen Planungsspielraum gibt: die Anlage muss sich in der Nähe der Gasleitung befinden, sie muss anfahrbar sein und gute Anschlussmöglichkeiten an Stromleitungen bieten. Nach Blockadehaltung auf Ettlinger Seite wurden auf Rheinstettener Gemarkung zunächst vier mögliche Standorte ausgedeutet und dann mit  Einbindung der Naturschutzverbände und des Umweltgutachters  unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht.. Letztlich erwies sich die Fläche am Kiesdreieck kurz vor Ettlingen als der– auch aus Naturschutz-Sicht -  noch am ehesten vertretbare Standort, da der Wald dort relativ jung ist und der Boden durch langjährige Kiesausbaggerung beeinträchtigt ist. Auch sprach dafür die unmittelbare Nähe der Fläche zu Bundesstraße und A5, was das subjektive Lärmempfinden im Vergleich deutlich herabsetzt.

Der Gesetzgeber sieht klare Ausgleichsmaßnahmen vor, die den der Natur zugefügten Schaden an anderer Stelle kompensieren sollen. Wald ist 1:1 zu ersetzen. Das hilft nur bedingt, so wird es nicht möglich sein auf Rheinstettener Gemarkung neuen Wald in einer entsprechenden Fläche aufzuforsten, weil eine solche Fläche nicht vorhanden ist. Selbstverständlich werden wir die Einhaltungen dieser Maßnahmen einfordern und beobachten. Sollte die noch anstehende naturschutzfachliche und -rechtliche Prüfung ergeben, dass die Anlage dort nicht gebaut werden kann, ist neu zu befinden.

 

Gibt es ein Konzept zur Wärmerückgewinnung?

Während des Betriebs der Anlage entsteht beträchtliche Abwärme, so dass der Gedanke nahe liegt, diese in eine Fernwärmenetz einzubinden. Wir haben uns nach entsprechenden Überlegungen erkundigt. Nach Aussagen des Betreibers ist allerdings eine entsprechende Nutzung kaum darstellbar. Grund dafür ist eine zu geringe Nutzungsdauer der Anlage. Diese geht nur in Betrieb, wenn tatsächlich die Gasleitung Richtung Volllast arbeitet. Zur Zeit geht man von deutlich weniger als 1000 Betriebsstunden pro Jahr aus. Da ist eine Fernwärmeeinbindung weder wirtschaftlich planbar noch ökologisch unbedingt sinnvoll. Hier bleibt die Forderung, dass diese Wärme wenigsten soweit gespeichert wird, dass die Betriebsgebäude nicht z.B. mit Gas beheizt werden müssen.

 

Weitere Links zum Thema

·     Roadmap Gas für die Energiewende – Nachhaltiger Klimabeitrag des Gassektors  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2019-04-15_cc_12-2019_roadmap-gas_2.pdf

·     Netze als Rückgrat der Energiewende: https://stiftung-umweltenergierecht.de/wp-content/uploads/2016/04/stiftung_umweltenergierecht_endbericht_renet_2012.pdf

·     Scientists for Future  https://www.youtube.com/watch?v=gXWPybZYYtA  (insbesondere ab Minute 10 bzw. direkt ab Minute 15)

·     Gasnetz der Zukunft: Power-to-Gas und KWK https://www.youtube.com/watch?v=OiANKyEd3vY

·     Energiespeicherung mit Power to Gas https://www.youtube.com/watch?v=yIif05bhHBw

·     Speicher für die Energiewende (Volker Quaschning / Scientists for Future) https://www.youtube.com/watch?v=CE-6jsWCATk

·     Abschlussbericht KonStGas: Integration fluktuierender erneuerbarer Energien durch konvergente Nutzung von Strom- und Gasnetzen: https://www.dbi-gruppe.de/files/PDFs/Projekte/00_Abschlussbericht_KonStGas_2017.pdf

·     "Power to Gas" - Die Bedeutung speicherbarer Energieträger für die Energiewende, Hochschule Karlsruhe Wirtschaft u Technik:  https://www.youtube.com/watch?v=tY_LOwEn5RI

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